Digifin25: Alles Wichtige zum Nachlesen
Guten Morgen aus der Hauptstadt, wo sich an dem Dienstagmorgen alles trifft, was in der Fintech-, Banken- und Digitalwelt Rang und Namen hat. Wir starten mit einem Kaffee und begleiten die Veranstaltung im Tagesverlauf mit Eindrücken und Einschätzungen.
Unter dem Motto „A New Era of Finance“ werden zentrale Fragen zur Zukunft der Finanzbranche diskutiert. Erstmals gestalten Bitkom und Payment & Banking das Format gemeinsam – ein bewusster Schritt in einer Phase, in der sich die Branche grundlegenden Veränderungen gegenübersieht. Entsprechend vielfältig ist das Programm: Auf drei Bühnen kommen Fachleute aus Politik, Regulierung und Wirtschaft zusammen. Durch den Tag führt Moderatorin Susanne Schöne.
Warum sich Gründerinnen und Gründer nicht wieder für Deutschland entscheiden würden
Fintechs stärken und ein faires Level Playing Field in Europa schaffen – darauf legt Aiga Senftleben, Mitgründerin und General Counsel von Billie sowie Mitglied im Bitkom-Präsidium, ihren Schwerpunkt. Im Zentrum steht für sie die wirtschaftliche Transformation. „Fintechs sind die Keimzelle der Innovation“, sagt Senftleben. Zugleich zeigten aktuelle Zahlen, dass die Rahmenbedingungen aus Sicht vieler Unternehmen verbesserungswürdig sind. Eine aktuelle Bitkom-Umfrage macht dies deutlich: Nur 20 Prozent der Fintech-Gründerinnen und -Gründer würden erneut in Deutschland gründen.
Senftleben führt dies vor allem auf das regulatorische Umfeld zurück. Deutschland neige zum „Gold-Plating“, also einer über die europäischen Vorgaben hinausgehenden Regulierung. Das gelte auch im europäischen Vergleich: „Unsere BaFin steht im Wettbewerb mit anderen Aufsichtsbehörden in der EU.“ Zwar sei diese Herausforderung inzwischen in Politik und Aufsicht angekommen, dennoch gelinge der Abbau von Bürokratie bislang nur eingeschränkt.
Zeitgleich wird im Bundestag die zweite Verbraucherkreditrichtlinie beraten. Trotz der bestehenden Herausforderungen sei die Bereitschaft der Branche groß, die Transformation aktiv mitzugestalten: „Ich blicke in einen Saal voller Tatendrang“, sagt Senftleben mit Blick auf das Publikum.
Wie kommen wir vom Gold-Plating weg?
Im Anschluss an die Diskussion tritt Michael Schrodi, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen, auf die Bühne. Er beschreibt die Lage aus Sicht der Bundesregierung und betont zunächst positive Entwicklungen im Markt: „Wir haben schon ein gutes Fintech-Ökosystem“. Mit Frankfurt, München und Berlin gebe es starke Standorte, und Deutschland stehe im europäischen Vergleich gut da. „Wir möchten den Vorsprung nicht nur halten, sondern ausbauen.“
Schrodi stellt die regulatorischen Themen in einen größeren politischen Kontext. Resilienz, Unabhängigkeit und geopolitische Entwicklungen hätten wesentlichen Einfluss auf den Finanzsektor. Digitale Resilienz sei entscheidend, um die Finanzbranche als Teil der kritischen Infrastruktur zu schützen. DORA sei hierbei ein wichtiger europäischer Baustein. Regulierung müsse dabei sowohl Vertrauen schaffen als auch Innovation ermöglichen. „Wir signalisieren auf EU-Ebene, dass wir keine neuen Regelwerke schaffen sollten, ohne alte abzuschaffen.“
Ein weiterer Punkt seiner Ausführungen betrifft den Zahlungsverkehr in Europa. Schrodi verweist auf die Bedeutung technologischer Weiterentwicklungen: „Wir brauchen neben dem privatwirtschaftlichen Engagement auch den digitalen Euro.“ Der Digitale Euro solle dazu beitragen, langfristige Handlungsfähigkeit in einem zunehmend digitalen Umfeld zu gewährleisten. „Der Digitale Euro will uns digitale Souveränität geben.“ Ziel sei es, Nutzerinnen und Nutzern Wahlmöglichkeiten zu eröffnen und verlässliche Grundlagen für digitale Zahlverfahren zu schaffen.

Mehr EU-Regulierung?
Ja, bitte! Nach den einleitenden Worten geht es in die inhaltliche Vertiefung. Den Auftakt machen Julia Koch, Geschäftsführerin beim Sparkassen-Digitaldienstleister Finanz Informatik, und Christoph Kuban, General Manager der Onlinebank Revolut. Gemeinsam mit Verena Thaler, Managerin beim Fintech Raisin, diskutieren sie, wie Europa im Wettbewerb um digitale Souveränität aufgestellt ist.
Positiv hervorgehoben werden dabei zunächst zentrale Vorhaben der EU-Ebene. Die PSD-Richtlinien und der AI Act werden als Schritte in die richtige Richtung beschrieben. Herausforderungen sehen die Panelteilnehmenden vor allem bei der Umsetzung in den Mitgliedstaaten. „Die Umsetzung ist von Land zu Land sehr unterschiedlich“, sagt Kuban. „Wir würden bei Revolut gerne viel mehr länderübergreifend harmonisieren, das geht aber nicht ohne Weiteres.“
Diesen Eindruck teilt Julia Koch und verweist insbesondere auf Fragen der Kundenidentifizierung und KYC-Prozesse. „Wir wollen dem Kunden möglichst einfache Lösungen anbieten, aber da fehlt es bisher an Angleichung“, erläutert sie. Große Erwartungen knüpft sie an die geplante EUDI-Wallet, die hier für mehr Einheitlichkeit sorgen könnte – insbesondere dann, wenn die Mitgliedstaaten auf zusätzliches „Goldplating“, also weitergehende nationale Vorgaben, verzichten.
Am Beispiel von Revolut wird deutlich, wie Standortentscheidungen im europäischen Kontext getroffen werden. Das neue Hauptquartier für Westeuropa befindet sich in Paris. Kuban verweist darauf, dass Frankreich derzeit ein besonders dynamischer Markt für Revolut ist – mit rund 150.000 neuen Kundinnen und Kunden pro Monat.
DKB: Wie sich eine Bank erfolgreich digitalisierte
Wie digitale Transformation in der Praxis gelingen kann, erläutert Jan Walther, CFO der DKB. Als die Direktbank die Entscheidung traf, ihre digitale Modernisierung voranzutreiben, sei dies nicht überall sofort auf Zustimmung gestoßen. Die strategische Notwendigkeit war für das Management jedoch früh sichtbar: „Wir wussten, wenn wir nichts tun, werden wir langfristig zurückfallen.“
Die erste Phase der Transformation sei von hohen Erwartungen, aber auch von Herausforderungen geprägt gewesen. Das Spannungsfeld beschreibt Walther klar: Während erhebliche Investitionen in digitale Infrastruktur notwendig waren, musste die Bank gleichzeitig profitabel bleiben und im Wettbewerb bestehen. „Als digitale Bank werden wir von den Start-ups herausgefordert.“ Inzwischen habe sich die Strategie bewährt – sichtbar etwa an den aktuellen Geschäftszahlen der Direktbank. Die DKB will diesen Weg fortsetzen und plant weiterhin hohe Investitionen: „Wir geben mindestens 100 Millionen für Transformation aus.“ Als nächste Schritte nennt Walther KI-Anwendungen, etwa im Bereich Chatbots, in der Kreditvergabe – beispielsweise bei der Baufinanzierung – und in der Betrugserkennung.
Für Walther gehören zwei Erkenntnisse zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren: „Es braucht ein konsistentes Verhalten der gesamten Führungsetage.“ Zudem sei Kommunikation entscheidend – insbesondere gegenüber Mitarbeitenden.
Alle lieben die Frühstartrente – aber als das Wort Zertifizierung fällt, wird es kontrovers
In der Diskussion rund um die Frühstartrente, die Teil des aktuellen Rentenpakets ist, wird das Gespräch spürbar dynamischer. Mit Stefan Schmidt (Bündnis 90/Die Grünen) ist ein Bundestagsabgeordneter vertreten, der den Vorschlag grundsätzlich positiv bewertet: „Ich finde das gut, wir haben zu wenig Menschen, die am Kapitalmarkt anlegen.“ Bedauerlich sei aus seiner Sicht lediglich, dass zunächst nur ein Jahrgang berücksichtigt werde.
Einigkeit besteht zwischen Schmidt, Daniel Auer (R+V), Erik Podzuweit (Scalable) und Moderatorin Nicole Nitsche beim Thema Finanzbildung. Die Frühstartrente könne insbesondere dann Wirkung entfalten, wenn entsprechende Bildungsangebote sie begleiten. Auer hebt hervor: „Wer mit 0 oder einem Jahr anfängt, der kann sich sehr einfach einen sechsstelligen Betrag bis zur Rente ansparen, das müssen wir vermitteln.“ Podzuweit verweist darauf, dass jüngere Menschen Informationen zunehmend selbst recherchieren: „Schaut Euch Eure Kinder an, die holen sich Wissen und Ratschläge aus dem Internet, sei es für Sport, Mode oder eben Geldanlage.“
Grundsätzlich wird das Konzept überwiegend positiv eingeordnet. Unterschiedliche Auffassungen gibt es jedoch bei der Frage, wer künftig geeignete Anlageprodukte anbieten soll. Daniel Auer spricht sich für eine Zertifizierung von Anbieterinnen und Anbietern aus, während Erik Podzuweit dies kritisch bewertet.
Stefan Schmidt lenkt den Blick auf noch offene Grundsatzfragen: „Wir müssen erst einmal klären, welche Produkte im Rahmen der Frühstartrente erlaubt werden: Nur ETFs, oder doch auch Einzelaktien?“ Zudem ist weiterhin offen, ob die Frühstartrente zum 1. Januar wie vorgesehen eingeführt werden kann.

Deutschland regelt: Regulierung als Innovationsenabler oder Wachstumsbremse?
Im nächsten Panel geht es um die Frage, wie Regulierung zur Weiterentwicklung des Finanzstandorts beitragen kann – und wo sie Herausforderungen schafft. Darüber sprechen Moritz Heuberger, Mitglied der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Frederike Lange, Referatsleiterin für Digitale Finanztechnologien im Bundesministerium der Finanzen, sowie Marcus W. Mosen, Co-CEO von N26.
Frederike Lange ordnet ein: „Auch wegen Finanzskandalen wie im Fall von Wirecard ist die Regulierung ausgebaut worden.“ Ziel sei es, Regelwerke stärker zu bündeln, um Komplexität zu reduzieren. Marcus W. Mosen verweist auf Unterschiede innerhalb Europas und sieht mit Blick auf Deutschland eine starke Ausrichtung am Verbraucherschutz, die teilweise Innovationsprozesse beeinflusse.
Mosen betont zudem die Bedeutung eines frühzeitigen Austauschs zwischen Marktteilnehmenden und Aufsicht. „Heute sind diese Dialoge eher reaktiv – wir sind dafür ein gutes Testimonial“, sagt er. Um zukünftige Entwicklungen besser zu begleiten, brauche es einen früheren und praxisnäheren Dialog über neue Technologien. Für Januar sei dazu ein Austausch zwischen N26 und dem Finanzministerium geplant. Grundsätzlich brauche es ein verändertes Verständnis von Regulierung: „Sie ist meist hinter dem aktuellen Verständnis von modernen Finanztechnologien hinterher.“ Regulierung selbst müsse sich daher weiterentwickeln.
Frederike Lange verweist auf mögliche Instrumente wie Sandboxes oder Praxischecks, um Regulierung an realen Anwendungsfällen auszurichten. Sie hebt hervor, dass die MiCAR-Regulierung gezeigt habe, wie frühes Handeln Start-ups aus dem Kryptobereich anziehen könne. Auch für KI-Themen stellt sie eine Sandbox in Aussicht. Diese Richtung wird von den weiteren Panelteilnehmenden grundsätzlich unterstützt.
Die große Chance in der Lücke
Philipp Bohrn, Geschäftsführer und VP Governance bei der Kryptoplattform Bitpanda, plädiert in seinem Beitrag für mehr Offenheit im Umgang mit neuen Technologien. „Es braucht Mut zur Lücke“, betont er. Grundsätzlich seien Vorgaben wie MiCAR aus seiner Sicht sinnvoll. „Aber wir können nicht immer jedes einzelne Risiko schon im Vorhinein ausschließen“, sagt er.
Mit Blick auf technologische Souveränität sei es wichtig, Entwicklungen nicht ausschließlich über nationale Anforderungen zu steuern. Lokalisierung allein könne diese Ziele nicht erreichen. Entscheidend sei vielmehr, die nächsten technologischen „Generationsschritte“ in Europa zu ermöglichen. Bohrn spricht sich in diesem Zusammenhang erneut dafür aus, EU-Vorgaben nicht durch zusätzliche nationale Anforderungen zu erweitern: „Wenn es eine EU-Regel gibt, dann reicht die oft auch einfach.“
Mensch oder Maschine: Wo beginnt die Verteidigungslinie gegen KI-Betrug?
Nach der Mittagspause widmet sich das Programm einem Thema, das den Finanzsektor zunehmend beschäftigt: Künstliche Intelligenz eröffnet neue Möglichkeiten – sowohl für Finanzdienstleister als auch für Betrüger. Katharina Paust-Bokrezion, Head of Payments & Digital Policy, Government & Public Affairs bei der Deutschen Bank, beschreibt eine klare Entwicklung: „Nicht-autorisierter Betrug sei fast vollständig verschwunden.“ Dagegen nehme autorisierter Betrug zu: „Bei Betrug, der autorisiert ist, sehen wir dagegen steigende Zahlen.“ Verfahren wie Voice Cloning erschwerten die Erkennung klassischer Betrugsmaschen. Gleichzeitig könne KI dabei helfen, Risiken zu identifizieren, etwa durch Mustererkennung. Technologische Lösungen seien daher ein zentraler Bestandteil der Betrugsprävention.
Dirk Schrade von der Deutschen Bundesbank verfolgt die Entwicklung mit Sorge und sieht insbesondere beim Kartenbetrug weiterhin offene Fragen. Betroffen seien sämtliche Altersgruppen. „Man sieht, dass Angreifer den menschlichen Faktor in den Mittelpunkt rücken.“ Aus seiner Sicht setzt die Abwehr daher früh an: „Der Verbraucher ist die erste Verteidigungslinie.“ Zugleich fordert Schrade eine engere Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren wie Telekommunikationsanbietern und Finanzunternehmen. „Betrugsprävention funktioniert nur in Zusammenarbeit und nicht im Wettbewerb.“ Dafür sei ein verbesserter Datenaustausch notwendig.
Tobias Schweiger (Hawk AI) hingegen geht davon aus, dass technische Ansätze auch künftig eine wesentliche Rolle spielen werden. „Die ‚Guten‘ müssen in der gleichen Geschwindigkeit wie die ‚Bösen‘ Innovationen vorantreiben“, sagt er und spricht von einem digitalen Wettrüsten. Notwendig sei der Wille, neue Verfahren einzusetzen, und eine weitgehend automatisierte Betrugsprävention. Auf die Frage, ob dadurch mehr Fehlalarme entstehen könnten, antwortet er, dass KI den Kontext berücksichtigen könne, um die Plausibilität von Transaktionen einzuschätzen.
Am Ende der Diskussion steht ein gemeinsamer Nenner: Wirksame Betrugsprävention setzt auf technologische Lösungen und menschliche Aufmerksamkeit gleichermaßen.
KI im Einsatz: Ein Blick auf digitale Assistenz in der Vermögensverwaltung
KI kann nicht nur zur Betrugsprävention beitragen, sondern eröffnet auch neue Möglichkeiten für Finanzdienstleistungen. Welche Potenziale er sieht, erläutert Stephen A. Paxmann, Chief Innovation Officer der LBBW. Er geht davon aus, dass künftig individuelle KI-basierte Assistenten Kundinnen und Kunden bei Geldanlage und Vermögensverwaltung unterstützen werden. Zur Veranschaulichung zeigt Paxmann auf der Bühne eine kurze Demonstration, in der er mit einem digitalen LBBW-KI-Berater interagiert.
Ob solche Lösungen bereits über eine erste Visualisierung hinausgehen, ist derzeit allerdings noch offen. Paxmann selbst beschreibt die grundlegende Herausforderung so: „Wir haben heute so viel Informationen wie noch nie, aber gleichzeitig weder die Zeit noch die Kapazität, diese sinnvoll zu verarbeiten.“ Ein KI-Assistent könne dabei helfen und einen Beitrag leisten, dieses Spannungsfeld zu adressieren.
Digitaler Euro: Auch die Privatwirtschaft ist gefragt
Der Digitale Euro ist längst ein zentrales Thema vieler Fachpanels. Heike Winter von der Deutschen Bundesbank beobachtet aktuell spürbare Bewegung: Im Europäischen Parlament beginnt die inhaltliche Debatte, gleichzeitig hat der EZB-Rat die nächste Projektphase eingeleitet. Dennoch mahnt sie, den Prozess weiter aktiv voranzutreiben: „Wenn wir einigermaßen schnell sein wollen, sollten wir nicht auf den Gesetzgeber warten.“
Die Frage möglicher Konkurrenzverhältnisse zwischen dem Digitalen Euro und privatwirtschaftlichen Initiativen wie EPI bewertet Winter gelassen. „Wir sehen den Digitalen Euro nicht als Konkurrenz.“ Angebote wie Bizum oder Wero hätten weiterhin gute Marktchancen. Entscheidend sei jedoch ein übergreifender Ansatz: „Wenn wir in Europa etwas haben wollen, das international mithalten kann, brauchen wir ein einheitliches System.“
Aus der Industrieperspektive erläutert Barnabas Ferenczi von Giesecke+Devrient, dass eine gewisse Fragmentierung nicht zwangsläufig hinderlich sei. „Das kann durchaus den Wettbewerb fördern.“
Kilian Thalhammer von der Deutschen Bank teilt diese Einschätzung: „Wir glauben, alle Lösungen können interoperabel funktionieren.“ Während an der Kundenschnittstelle teils emotional diskutiert werde, brauche es auf technischer und organisatorischer Ebene Offenheit für Kooperationen.
Jochen Siegert (Payment & Banking) weist zudem darauf hin, dass es im Bereich Wallets bislang nur wenige privatwirtschaftliche Angebote gebe. Die lautesten Forderungen nach dem Digital Markets Act seien ursprünglich aus dem Bankensektor gekommen.
Einigkeit besteht darin, dass europäische Privatinitiativen nun zügig Fortschritte erzielen müssen, um im entstehenden Ökosystem des Digitalen Euro eine starke Rolle einnehmen zu können.
Die Schweiz zeigt, wie es gehen kann
Wie sich komplexe Prozesse nutzerfreundlich gestalten lassen, demonstrierten auf der Digifin erneut Ralf Jenzer (Mesoneer) und Beat Steiner (Swisscom). In einer kompakten 15-Minuten-Session zeigten sie, wie ein optimiertes Kunden-Onboarding im Bankenumfeld aussehen könnte. Das Ergebnis fällt klar aus: Mit der richtigen Architektur ließen sich Abläufe erheblich beschleunigen.
„Wichtig ist, dass die Prozesse – insbesondere die Kundenüberprüfung – im Hintergrund laufen und der Kunde dadurch nicht behelligt wird“, betont Jenzer. Ein solcher Ansatz vereinfache nicht nur die Customer Journey, sondern entlaste zugleich die Bank, indem manuelle Schritte reduziert und Effizienzen gehoben werden.
Zu wenig, zu spät? Warum Europa für Wagniskapital (nicht) attraktiv ist
Beim Thema Wagniskapital für Start-ups wird in Europa häufig Kritik laut. Umso bemerkenswerter ist es, dass zwei der drei Diskutierenden auf dem Panel – Robin Binder, Gründer von Nao, und Nathalie Schwarzkopf, Fintech-Investorin bei BlackFin – das europäische Ökosystem dennoch mit 7 von 10 Punkten bewerten würden.
Weniger optimistisch zeigt sich hingegen Julian Ostertag, Managing Partner bei Drake Star. Europa liege insbesondere hinter den USA deutlich zurück, wenn es um Wagniskapital gehe. „Es kann nicht sein, dass die führenden Firmen in Deutschland nicht investieren können“, sagt er. Gründerinnen und Gründer gebe es ausreichend – ebenso gute Ideen –, doch es fehle häufig an Finanzierung. Gründe sieht Ostertag unter anderem im regulatorischen Umfeld, etwa durch Basel III, sowie in einer ausgeprägten Bürokratisierung.
Für Binder hat diese Zurückhaltung jedoch vor allem kulturelle Ursachen – eine Einschätzung, die auch Ostertag teilt. „Wir müssen unsere Mentalität ändern“, betont er. Eine echte Wagniskultur sei in Europa bislang kaum verankert, obwohl die Herausforderung seit Jahren bekannt sei. Hoffnung setzt er in jüngere Generationen, die mehr Risikobereitschaft in Unternehmen und Gesellschaft tragen könnten.
Wie lassen sich mehr Investitionen mobilisieren? Binder sieht insbesondere private Investitionen als zentralen Hebel. Ergänzend plädiert Schwarzkopf für stärker europäisch ausgerichtete Instrumente, etwa gemeinsame Investitionsfonds: „Das ist der einzige Weg, wie Start-ups in Europa schnell zu Scale-ups werden können.“
Die zentrale Botschaft lautet: Vorankommen gelingt in Europa vor allem gemeinsam.
Vertrauen, Technologie, Mensch: Der Weg zur digitalen Exzellenz
Barbara Karuth-Zelle, COO der Allianz, erläutert auf der Bühne, wie Künstliche Intelligenz zunehmend entlang der gesamten Wertschöpfungskette des Versicherungsgeschäfts eingesetzt wird. Ziel sei es, sowohl die Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als auch die Erfahrung der Versicherten zu verbessern. „Wichtig ist, dass wir KI durchgängig nutzen und alle Mitarbeitenden auf diesem Weg mitnehmen“, betont Karuth-Zelle. Ohne ein umfassendes Verständnis im Unternehmen werde es schwierig, langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben.
Auf die Frage nach konkreten Praxisbeispielen verweist Karuth-Zelle unter anderem auf eine Kühlschrankinhaltsversicherung in Australien, bei der Schadenfälle bereits weitgehend automatisiert durch KI-Systeme bearbeitet werden. Was ungewöhnlich erscheint, hat dort eine klare Relevanz: „In Regionen, in denen der nächste Supermarkt mehrere Stunden entfernt liegt, ist eine solche Lösung durchaus sinnvoll“, erklärt sie.
Wesentlich ist aus ihrer Sicht, dass der Einsatz von KI das Vertrauen der Kundinnen und Kunden stärkt. „Unsere Kundinnen und Kunden möchten im Schadensfall möglichst unkompliziert Unterstützung erhalten“, sagt Karuth-Zelle. Eine effizient digitalisierte Schadenbearbeitung könne maßgeblich dazu beitragen.
Zwischen E-Geld und Krypto: Stablecoins im regulatorischen Härtetest
Beim Thema Stablecoins deutet vieles darauf hin, dass die EU mit MiCAR einen ungewöhnlich frühen und gut abgestimmten Regulierungsrahmen geschaffen hat – ein Vorteil, von dem insbesondere Stablecoin-Emittenten profitieren, wie zu Beginn des Panels deutlich wird. Doch trotz dieses Fortschritts bleibt erhebliches Klärungspotenzial. Eine zentrale Herausforderung: Wie lassen sich Stablecoins grenzüberschreitend tauschen, wenn die zugrunde liegenden Reservebestände regulatorisch weiterhin an nationale Grenzen gebunden sind?
Marvin Schulz, Mitglied der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, betont, dass die Branche an dieser Frage nicht scheitern dürfe. „Unser Ziel ist es, die europäische Wettbewerbsfähigkeit zu sichern“, sagt Schulz. „Wir wollen daher keine zusätzlichen Grenzen im digitalen Zahlungsverkehr schaffen.“
Aus Sicht der Industrie wird der europäische Ansatz positiv bewertet. „Wir regulieren Stablecoins aus der EU heraus global“, sagt Patrick Hansen, Senior Director EU Strategy & Policy beim Stablecoin-Emittenten Circle. Dies gelte auch für europäische Initiativen wie Allunity. Dessen CTO und COO, Peter Grosskopf, sieht die starke Konkurrenz aus den USA weniger als Bedrohung denn als Bestätigung des globalen Charakters von Stablecoins. Es entstehe ohnehin ein weltweiter Markt. Zugleich warnt er jedoch: „Wir müssen sicherstellen, dass Akteure, die sich streng an die Regeln halten, nicht durch regulatorische Arbitrage benachteiligt werden.“
Komplexität entsteht auch durch die Einordnung von Stablecoins zwischen Zahlungsinstrument und Krypto-Asset. „Vielen war nicht bewusst, dass hierfür eine Lizenz nach PSD2 erforderlich ist“, erklärt Grosskopf. Übergangsfristen seien daher sinnvoll, um eine geordnete Umsetzung zu ermöglichen. Gleichzeitig müsse darauf geachtet werden, die regulatorischen Anforderungen nicht höher zu setzen, als es für Marktstabilität und Verbraucherschutz notwendig sei.
Tokenisierung frisst Finanzwelt – von Vermögenswerten zu Tokens: Zukunft oder Hype?
Nach der breiten Diskussion rund um Stablecoins rückt zunehmend die Tokenisierung in den Fokus. Für Außenstehende mögen die Unterschiede gering erscheinen, doch im Panel mit dem Titel „Tokenisierung frisst Finanzwelt“ wurden die verschiedenen Facetten deutlich herausgearbeitet. Unter den Begriff fallen zahlreiche Anwendungsfelder, wie Radoslav Albrecht, Gründer und CEO von Bitbond, erläutert: Von Aktien und Anleihen über Immobilien bis hin zu Kunst – viele Vermögenswerte lassen sich digital abbilden und handelbar machen.
Doch wird die Tokenisierung tatsächlich „die Finanzwelt fressen“? Diese Erwartung sei möglicherweise überzogen, sagt Julia Urmann, Legal- und Compliance-Managerin bei 360X. „Aber insbesondere institutionelle Investoren beschäftigen sich intensiver mit dem Thema – die Dynamik nimmt spürbar zu.“
Gleichzeitig zeigt sich, wie in vielen Digitalthemen, die Sorge, Europa könnte im internationalen Vergleich an Boden verlieren. „Wir hatten durch MiCAR einen deutlichen Vorsprung, den wir teilweise wieder eingebüßt haben“, so Jan Sell, Venture Partner bei Angel Invest Ventures.
Ganz aufgeholt ist der europäische Vorsprung allerdings nicht. Wie lässt er sich sichern? „Wir brauchen dringend mehr Harmonisierung innerhalb Europas, insbesondere ein einheitliches Wertpapierrecht“, betont Julia Urmann.
Europas Rolle in der KI-Finanzökonomie - zwischen Chancen, Risiken & Regulierung
Künstliche Intelligenz ist längst kein Wundermittel mehr – diese Einsicht hat sich breit durchgesetzt. Doch wie gelingt es, KI Schritt für Schritt sinnvoll in bestehende Prozesse zu integrieren? Tabitha Kleine, Geschäftsbereichsleiterin Aktivgeschäft Privatkunden und KI bei der Finanz Informatik, gibt Einblicke in aktuelle Entwicklungen. „Wir haben Beispiele von Risikoanalysen, die von zwei Wochen auf drei Stunden verkürzt werden“, ergänzt Bastian Bahnemann. Auch Prüfprozesse profitieren von KI-gestützter Dokumentenerkennung – ein Beispiel dafür, wie die Technologie schon heute spürbare Entlastung schafft, erklärt Matthias Terlau, Partner bei Görg.
Doch bleibt KI lediglich unterstützend – oder stellt sie bestehende Geschäftsmodelle grundlegend infrage? Für Tabitha Kleine ist KI vor allem ein Werkzeug. „KI eröffnet völlig neue Wertschöpfungspotenziale“, betont Bastian Bahnemann, Financial Services Industry Compliance & Business Development Lead bei Microsoft Deutschland. Unternehmen, die Effizienzgewinne nicht ausschöpfen, könnten künftig ins Hintertreffen geraten.
Und die Risiken? Noch seien sie überschaubar, so Terlau. KI werde heute überwiegend als Assistenzsystem eingesetzt – mit einem klar definierten „Human in the Loop“, der bei Bedarf korrigierend eingreifen kann. Die größere Herausforderung liege aus Sicht des Panels eher darin, Unternehmensdaten strukturiert nutzbar zu machen.
Wie setzt man dabei die richtigen Schwerpunkte? Sicherheit habe aufgrund der Sensibilität von Bankdaten oberste Priorität, betont Tabitha Kleine. Matthias Terlau verweist zudem auf die Bedeutung interner Expertise, um Risiken frühzeitig zu erkennen und bewährte Verfahren zu etablieren.
Opago, Xaver, Klarna: Die Fintechs des Jahres
Zum Abschluss der Veranstaltung wurden die „Fintechs des Jahres“ ausgezeichnet – ein Preis mit durchaus hohem Renommee, wie P&B-Geschäftsführerin Nicole Nitsche betont.
„Ich habe den Eindruck, dass wir uns wieder in einer positiven Marktphase befinden. Es gibt verstärkt Finanzierungsrunden und viele spannende Projekte“, sagt Kevin Hackl, Jurypräsident.
Den Auftakt macht Stefan Krautkrämer mit der Auszeichnung des „Newcomer des Jahres“. Der Preis geht an AllUnity. Entgegen nimmt ihn CEO Peter Großkopf.
Anschließend folgt die Kategorie „Etabliertes Fintech des Jahres“. Die Wahl fällt auf Klarna. Deutschland-Chef Nico Schenck nimmt die Auszeichnung entgegen – ein weiterer Erfolg in einem insgesamt starken Jahr für das schwedische Unternehmen.
Weiter geht es mit dem „Unternehmer des Jahres“. Die Laudatio übernimmt Lea Maria Siering von Zalando Payments, die von intensiven Diskussionen innerhalb der Jury berichtet. Am Ende setzt sich Ralf Heim, Gründer von Fincite, durch. Er kann nicht persönlich teilnehmen und richtet seine Dankesworte per Video aus.
Neu ist in diesem Jahr die Kategorie „Insurtech des Jahres“, präsentiert vom Insurance Monday Podcast. Simon Moser verleiht den Preis und würdigt zunächst die Rolle der deutschen Versicherungswirtschaft, bevor er Xaver als Gewinner bekanntgibt.
Ergänzend zur Unternehmer-Auszeichnung wird auch eine „Unternehmerin des Jahres“ geehrt. Die Moderatoren übernehmen die Laudatio selbst. Die Auszeichnung geht an Gloria Bäuerlein, Founding Partner von Puzzle Ventures, die jedoch – wie Ralf Heim – nicht vor Ort sein kann.
Für Puzzle Ventures lohnt sich der Abend dennoch: Das Unternehmen erhält zusätzlich den Preis als „Investor des Jahres“.
Zum Abschluss folgt der Publikumspreis „Fintech des Herzens“. Er geht an das Team von Opago. Der Stablecoin-Infrastrukturdienstleister konnte seine Community besonders gut mobilisieren – ein Zeichen dafür, dass das Thema Stablecoins zunehmend auf Interesse stößt.
Damit endet die Digifin25. Wir bedanken uns für die Teilnahme vor Ort und wünschen eine gute Zeit bis zum nächsten Jahr.