Live-Blog von der DigiFin25: Alle Highlights in Echtzeit
Guten Morgen aus der Hauptstadt, wo sich an dem Dienstagmorgen alles trifft, was in der Fintech-, Banken- und Digitalwelt Rang und Namen hat. Wir starten mit einem Kaffee und begleiten die Veranstaltung im Tagesverlauf mit Eindrücken und Einschätzungen.
Unter dem Motto „A New Era of Finance“ werden zentrale Fragen zur Zukunft der Finanzbranche diskutiert. Erstmals gestalten Bitkom und Payment & Banking das Format gemeinsam – ein bewusster Schritt in einer Phase, in der sich die Branche grundlegenden Veränderungen gegenübersieht. Entsprechend vielfältig ist das Programm: Auf drei Bühnen kommen Fachleute aus Politik, Regulierung und Wirtschaft zusammen. Durch den Tag führt Moderatorin Susanne Schöne.
Warum sich Gründerinnen und Gründer nicht wieder für Deutschland entscheiden würden
Fintechs stärken und ein faires Level Playing Field in Europa schaffen – darauf legt Aiga Senftleben, Mitgründerin und General Counsel von Billie sowie Mitglied im Bitkom-Präsidium, ihren Schwerpunkt. Im Zentrum steht für sie die wirtschaftliche Transformation. „Fintechs sind die Keimzelle der Innovation“, sagt Senftleben. Zugleich zeigten aktuelle Zahlen, dass die Rahmenbedingungen aus Sicht vieler Unternehmen verbesserungswürdig sind. Eine aktuelle Bitkom-Umfrage macht dies deutlich: Nur 20 Prozent der Fintech-Gründerinnen und -Gründer würden erneut in Deutschland gründen.
Senftleben führt dies vor allem auf das regulatorische Umfeld zurück. Deutschland neige zum „Gold-Plating“, also einer über die europäischen Vorgaben hinausgehenden Regulierung. Das gelte auch im europäischen Vergleich: „Unsere BaFin steht im Wettbewerb mit anderen Aufsichtsbehörden in der EU.“ Zwar sei diese Herausforderung inzwischen in Politik und Aufsicht angekommen, dennoch gelinge der Abbau von Bürokratie bislang nur eingeschränkt.
Zeitgleich wird im Bundestag die zweite Verbraucherkreditrichtlinie beraten. Trotz der bestehenden Herausforderungen sei die Bereitschaft der Branche groß, die Transformation aktiv mitzugestalten: „Ich blicke in einen Saal voller Tatendrang“, sagt Senftleben mit Blick auf das Publikum.
Wie kommen wir vom Gold-Plating weg?
Im Anschluss an die Diskussion tritt Michael Schrodi, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen, auf die Bühne. Er beschreibt die Lage aus Sicht der Bundesregierung und betont zunächst positive Entwicklungen im Markt: „Wir haben schon ein gutes Fintech-Ökosystem“. Mit Frankfurt, München und Berlin gebe es starke Standorte, und Deutschland stehe im europäischen Vergleich gut da. „Wir möchten den Vorsprung nicht nur halten, sondern ausbauen.“
Schrodi stellt die regulatorischen Themen in einen größeren politischen Kontext. Resilienz, Unabhängigkeit und geopolitische Entwicklungen hätten wesentlichen Einfluss auf den Finanzsektor. Digitale Resilienz sei entscheidend, um die Finanzbranche als Teil der kritischen Infrastruktur zu schützen. DORA sei hierbei ein wichtiger europäischer Baustein. Regulierung müsse dabei sowohl Vertrauen schaffen als auch Innovation ermöglichen. „Wir signalisieren auf EU-Ebene, dass wir keine neuen Regelwerke schaffen sollten, ohne alte abzuschaffen.“
Ein weiterer Punkt seiner Ausführungen betrifft den Zahlungsverkehr in Europa. Schrodi verweist auf die Bedeutung technologischer Weiterentwicklungen: „Wir brauchen neben dem privatwirtschaftlichen Engagement auch den digitalen Euro.“ Der Digitale Euro solle dazu beitragen, langfristige Handlungsfähigkeit in einem zunehmend digitalen Umfeld zu gewährleisten. „Der Digitale Euro will uns digitale Souveränität geben.“ Ziel sei es, Nutzerinnen und Nutzern Wahlmöglichkeiten zu eröffnen und verlässliche Grundlagen für digitale Zahlverfahren zu schaffen.

Mehr EU-Regulierung?
Ja, bitte! Nach den einleitenden Worten geht es in die inhaltliche Vertiefung. Den Auftakt machen Julia Koch, Geschäftsführerin beim Sparkassen-Digitaldienstleister Finanz Informatik, und Christoph Kuban, General Manager der Onlinebank Revolut. Gemeinsam mit Verena Thaler, Managerin beim Fintech Raisin, diskutieren sie, wie Europa im Wettbewerb um digitale Souveränität aufgestellt ist.
Positiv hervorgehoben werden dabei zunächst zentrale Vorhaben der EU-Ebene. Die PSD-Richtlinien und der AI Act werden als Schritte in die richtige Richtung beschrieben. Herausforderungen sehen die Panelteilnehmenden vor allem bei der Umsetzung in den Mitgliedstaaten. „Die Umsetzung ist von Land zu Land sehr unterschiedlich“, sagt Kuban. „Wir würden bei Revolut gerne viel mehr länderübergreifend harmonisieren, das geht aber nicht ohne Weiteres.“
Diesen Eindruck teilt Julia Koch und verweist insbesondere auf Fragen der Kundenidentifizierung und KYC-Prozesse. „Wir wollen dem Kunden möglichst einfache Lösungen anbieten, aber da fehlt es bisher an Angleichung“, erläutert sie. Große Erwartungen knüpft sie an die geplante EUDI-Wallet, die hier für mehr Einheitlichkeit sorgen könnte – insbesondere dann, wenn die Mitgliedstaaten auf zusätzliches „Goldplating“, also weitergehende nationale Vorgaben, verzichten.
Am Beispiel von Revolut wird deutlich, wie Standortentscheidungen im europäischen Kontext getroffen werden. Das neue Hauptquartier für Westeuropa befindet sich in Paris. Kuban verweist darauf, dass Frankreich derzeit ein besonders dynamischer Markt für Revolut ist – mit rund 150.000 neuen Kundinnen und Kunden pro Monat.
DKB: Wie sich eine Bank erfolgreich digitalisierte
Wie digitale Transformation in der Praxis gelingen kann, erläutert Jan Walther, CFO der DKB. Als die Direktbank die Entscheidung traf, ihre digitale Modernisierung voranzutreiben, sei dies nicht überall sofort auf Zustimmung gestoßen. Die strategische Notwendigkeit war für das Management jedoch früh sichtbar: „Wir wussten, wenn wir nichts tun, werden wir langfristig zurückfallen.“
Die erste Phase der Transformation sei von hohen Erwartungen, aber auch von Herausforderungen geprägt gewesen. Das Spannungsfeld beschreibt Walther klar: Während erhebliche Investitionen in digitale Infrastruktur notwendig waren, musste die Bank gleichzeitig profitabel bleiben und im Wettbewerb bestehen. „Als digitale Bank werden wir von den Start-ups herausgefordert.“ Inzwischen habe sich die Strategie bewährt – sichtbar etwa an den aktuellen Geschäftszahlen der Direktbank. Die DKB will diesen Weg fortsetzen und plant weiterhin hohe Investitionen: „Wir geben mindestens 100 Millionen für Transformation aus.“ Als nächste Schritte nennt Walther KI-Anwendungen, etwa im Bereich Chatbots, in der Kreditvergabe – beispielsweise bei der Baufinanzierung – und in der Betrugserkennung.
Für Walther gehören zwei Erkenntnisse zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren: „Es braucht ein konsistentes Verhalten der gesamten Führungsetage.“ Zudem sei Kommunikation entscheidend – insbesondere gegenüber Mitarbeitenden.
Alle lieben die Frühstartrente – aber als das Wort Zertifizierung fällt, wird es kontrovers
In der Diskussion rund um die Frühstartrente, die Teil des aktuellen Rentenpakets ist, wird das Gespräch spürbar dynamischer. Mit Stefan Schmidt (Bündnis 90/Die Grünen) ist ein Bundestagsabgeordneter vertreten, der den Vorschlag grundsätzlich positiv bewertet: „Ich finde das gut, wir haben zu wenig Menschen, die am Kapitalmarkt anlegen.“ Bedauerlich sei aus seiner Sicht lediglich, dass zunächst nur ein Jahrgang berücksichtigt werde.
Einigkeit besteht zwischen Schmidt, Daniel Auer (R+V), Erik Podzuweit (Scalable) und Moderatorin Nicole Nitsche beim Thema Finanzbildung. Die Frühstartrente könne insbesondere dann Wirkung entfalten, wenn entsprechende Bildungsangebote sie begleiten. Auer hebt hervor: „Wer mit 0 oder einem Jahr anfängt, der kann sich sehr einfach einen sechsstelligen Betrag bis zur Rente ansparen, das müssen wir vermitteln.“ Podzuweit verweist darauf, dass jüngere Menschen Informationen zunehmend selbst recherchieren: „Schaut Euch Eure Kinder an, die holen sich Wissen und Ratschläge aus dem Internet, sei es für Sport, Mode oder eben Geldanlage.“
Grundsätzlich wird das Konzept überwiegend positiv eingeordnet. Unterschiedliche Auffassungen gibt es jedoch bei der Frage, wer künftig geeignete Anlageprodukte anbieten soll. Daniel Auer spricht sich für eine Zertifizierung von Anbieterinnen und Anbietern aus, während Erik Podzuweit dies kritisch bewertet.
Stefan Schmidt lenkt den Blick auf noch offene Grundsatzfragen: „Wir müssen erst einmal klären, welche Produkte im Rahmen der Frühstartrente erlaubt werden: Nur ETFs, oder doch auch Einzelaktien?“ Zudem ist weiterhin offen, ob die Frühstartrente zum 1. Januar wie vorgesehen eingeführt werden kann.

Deutschland regelt: Regulierung als Innovationsenabler oder Wachstumsbremse?
Im nächsten Panel geht es um die Frage, wie Regulierung zur Weiterentwicklung des Finanzstandorts beitragen kann – und wo sie Herausforderungen schafft. Darüber sprechen Moritz Heuberger, Mitglied der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Frederike Lange, Referatsleiterin für Digitale Finanztechnologien im Bundesministerium der Finanzen, sowie Marcus W. Mosen, Co-CEO von N26.
Frederike Lange ordnet ein: „Auch wegen Finanzskandalen wie im Fall von Wirecard ist die Regulierung ausgebaut worden.“ Ziel sei es, Regelwerke stärker zu bündeln, um Komplexität zu reduzieren. Marcus W. Mosen verweist auf Unterschiede innerhalb Europas und sieht mit Blick auf Deutschland eine starke Ausrichtung am Verbraucherschutz, die teilweise Innovationsprozesse beeinflusse.
Mosen betont zudem die Bedeutung eines frühzeitigen Austauschs zwischen Marktteilnehmenden und Aufsicht. „Heute sind diese Dialoge eher reaktiv – wir sind dafür ein gutes Testimonial“, sagt er. Um zukünftige Entwicklungen besser zu begleiten, brauche es einen früheren und praxisnäheren Dialog über neue Technologien. Für Januar sei dazu ein Austausch zwischen N26 und dem Finanzministerium geplant. Grundsätzlich brauche es ein verändertes Verständnis von Regulierung: „Sie ist meist hinter dem aktuellen Verständnis von modernen Finanztechnologien hinterher.“ Regulierung selbst müsse sich daher weiterentwickeln.
Frederike Lange verweist auf mögliche Instrumente wie Sandboxes oder Praxischecks, um Regulierung an realen Anwendungsfällen auszurichten. Sie hebt hervor, dass die MiCAR-Regulierung gezeigt habe, wie frühes Handeln Start-ups aus dem Kryptobereich anziehen könne. Auch für KI-Themen stellt sie eine Sandbox in Aussicht. Diese Richtung wird von den weiteren Panelteilnehmenden grundsätzlich unterstützt.
Die große Chance in der Lücke
Philipp Bohrn, Geschäftsführer und VP Governance bei der Kryptoplattform Bitpanda, plädiert in seinem Beitrag für mehr Offenheit im Umgang mit neuen Technologien. „Es braucht Mut zur Lücke“, betont er. Grundsätzlich seien Vorgaben wie MiCAR aus seiner Sicht sinnvoll. „Aber wir können nicht immer jedes einzelne Risiko schon im Vorhinein ausschließen“, sagt er.
Mit Blick auf technologische Souveränität sei es wichtig, Entwicklungen nicht ausschließlich über nationale Anforderungen zu steuern. Lokalisierung allein könne diese Ziele nicht erreichen. Entscheidend sei vielmehr, die nächsten technologischen „Generationsschritte“ in Europa zu ermöglichen. Bohrn spricht sich in diesem Zusammenhang erneut dafür aus, EU-Vorgaben nicht durch zusätzliche nationale Anforderungen zu erweitern: „Wenn es eine EU-Regel gibt, dann reicht die oft auch einfach.“
